IMPULS ZUM 5. FASTENSONNTAG: DER LEBENSBAUM

Wir sind Claudia (C) und Esther (E). Wir gehören beide zur Gemeinschaft Lebensbaum und freuen uns, dass wir mit Ihnen zusammen das letzte der schönen Kirchenfenster betrachten dürfen.

C: Mir gefällt das Fenster total gut. Es hat den Titel: Der Baum des Lebens im neuen Jerusalem. Allen Fenstern hier in der Kirche liegen - das haben wir an den letzten Sonntagen gehört - biblische Heilsgeschichten und Themen zu Grunde. Hier bei diesem Fenster werden wir hingeführt zur Vision des Evangelisten Johannes, die er in der Offenbarung in starken Bildern niederschreibt und mit der er Zeugnis ablegt von dem Wort Gottes und dem Zeugnis Jesu Christi.

E: Das heißt, dieses Fenster zeigt ein Geschehen/ein Bild, das noch in der Zukunft liegt? Aber in der Offenbarung wird es uns vorausgesagt?

C: Ja, das kann man so sagen.

E: Vielleicht kann man, wenn man das Fenster genau anschaut, schon erkennen, was sich uns im Offenbarungstext eröffnet?

C: Ja, beschreib doch mal, was du siehst!

E: Ich sehe einen Baum; er hat einen kräftigen Stamm, starke verzweigte Wurzeln, er streckt sich hoch hinauf in den Himmel; er hat verzweigte Äste; im Vergleich zu den anderen Bäumen wirkt der Baum voller, kräftiger, satter. Er füllt das ganze Fenster mit großer Präsenz aus, es strahlt eine unglaubliche Fülle und Helligkeit aus! Viele Gelb- und Goldtöne stechen hervor.

C: Gold /gelb ist in der Kunst die Farbe für Gott und das Göttliche.

E: Und dann diese roten knackigen Früchte, wie Granatäpfel sehen sie aus; irgendwie paradiesisch. Sie laden ein zum Verkosten. Und sie erinnern an das erste Fensterbild, wo die Schlange uns zur Versuchung die rote Frucht hinhält – aber die Schlange ist hier verschwunden. Der Baum ist wunderschön und erstrahlt in goldenem Glanz und hellster Reinheit und Klarheit.

C: Du hast das Fenster so wunderbar beschrieben, dass wir doch einfach mal hören und zusammentragen, was wir in der Bibel zum Baum des Lebens finden: Er begegnet uns zum ersten Mal im Buch Genesis, dem Anfang der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen. Dort steht er mit dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse im Paradiesgarten. Er selbst ist das Symbol der Unsterblichkeit. Damit die Menschen Adam und Eva nicht auch noch vom Baum der Unsterblichkeit essen nach dem Sündenfall, werden sie aus dem Paradies vertrieben.

E: Und dann begegnet uns der Baum des Lebens wieder in der Offenbarung des Johannes in wunderbaren aussagekräftigen Bildern, und es heißt: Am Ende der Menschheitsgeschichte errichtet Gott das neue himmlische Jerusalem: einen neuen Himmel und eine neue Erde. Alle Drangsal ist vorbei! Der Satan erhielt seine gerechte Strafe!

C: Auch Johannes hört die mächtige Stimme Jahwes.

E: „Siehe das Zelt Gottes unter den Menschen ... Er selbst wird ihr Gott sein. Er wird abwischen jede Träne von ihren Augen, und es wird keinen Tod mehr geben…(Off 21).“ Und inmitten dieser neuen Stadt steht der Baum des Lebens, der Baum der Unsterblichkeit. Er trägt jeden Monat neue Früchte, und der Zugang zu ihm - und damit zum ewigen Leben - steht allen Bewohnern der Stadt offen.

C: Der Baum des Lebens ist also Zeichen für die Gegenwart Gottes und Jesus Christus. In seiner Nähe zu sein und von seinen Früchten zu essen, bedeutet: Gott und Jesus nahe zu sein und ihre Lebenskraft und Gegenwart in sich aufzunehmen.

E: Es ist schön zu sehen, dass das erste Fenster an der Orgel und das letzte Fenster hier die ganze Heilsgeschichte Gottes mit uns Menschen umschließen.

C: Und nun ist interessant, dass das Kreuz an der Wand, das Lebensbaum-Kreuz, in der Nähe dieses Fensters steht!

E: Ja, ich glaube, da können wir eine gute Verbindung zum heutigen Evangelium sehen. Diese Vision vom himmlischen Jerusalem und dem Baum des Lebens hatte Johannes zu einer Zeit, als die Erwartung noch ganz stark war, dass Jesus demnächst wieder kommt und die Welt richtet. Aber das ist so nicht eingetreten. Was meinst du, was uns dann diese Bilder des Lebensbaumes im himmlischen Jerusalem sagen können?

C: Durch Jesu Tod am Kreuz und seine Auferweckung durch den Vater müssen wir nicht das Ende aller Zeiten abwarten, um ins himmlische Jerusalem und zum Baum des Lebens zu gelangen. Dieses ewige Leben in Gottes Fülle, in seiner Gegenwart, in Gottes Licht - wie es hier auf dem Fenster dargestellt ist - darauf dürfen wir durch Jesus, seine Botschaft, sein Kreuz und Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung schon am Ende unseres Lebens hoffen.

E: „Das Weizenkorn muss sterben…“ hören wir im heutigen Evangelium. Es ist ein Bild für Jesus und eine Vorankündigung auf seinen Tod hin - „…dann bringt es reiche Frucht“. Durch Jesu Tod und seine Auferweckung lässt er uns nicht im Tod; wir sind erlöst; er nimmt uns alle mit hinein in die Ewigkeit, ins ewige Leben, in die Unsterblichkeit, zum Baum des Lebens. Aus dem Kreuz erwächst der Lebensbaum, der uns die Nähe Gottes, ewiges Leben, Leben in Fülle bei Gott schenkt.

C: Ich glaube, deshalb ist das Kreuz auch so nah beim Lebensbaum-Fenster angebracht! Das ist eine wunderbare Botschaft!

E: Aber ich frage mich, wo wir in dieser Heilsgeschichte Gottes mit uns Menschen stehen? Der Anfangszustand im Paradies ist es gewiss nicht, und das Ende der Welt ist ja auch nicht abzusehen – wo stehen wir?

C: Das ist genau die Frage, um die es geht. Ich glaube, wir stehen mittendrin, im Leben. Wo wir konfrontiert sind mit dem Leben in Fülle, der Freude und dem Glück – und dem Schmerz und dem Kreuz. Und unserer Sehnsucht nach heil sein und Erlösung! Wir sind vertraut mit all den wunderbaren Geschichten und Botschaften der Bibel, wie wir sie hier vor uns sehen und wie wir sie an den vergangenen Sonntagen gehört haben. Uns ist die Fülle des Lebens versprochen durch Jesus und seine Botschaft.

E: Ja, es liegt an uns, diesem Angebot Gottes zu folgen. Wir leben in diesem Spannungsfeld, wir können es auch die Perspektive des Kreuzes nennen. Es ist unsere Aufgabe, unser Sinn, uns immer wieder neu für das Gute und damit für Gott zu entscheiden.

C: Wir als Mitglieder der Gemeinschaft Lebensbaum tragen ein kleines Kreuz. Es ist Ihrem Kreuz, liebe Schwestern, angeglichen. Aber am horizontalen Balken hat es einen Zweig. Er symbolisiert, dass wir ein Zweig am Stamm der baden-württembergischen Provinz der barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz sind. Und er symbolisiert einen Zweig des Lebensbaumes.

E: In der Weisung unserer Gemeinschaft Lebensbaum steht: „Mitten in deinem Leben steht der Lebensbaum. Wenn du von seinen Früchten isst, wirst du leben, selbst wenn du stirbst.“

C: Jede und jeder in unserer Gemeinschaft muss sich persönlich mit dieser Aussage auseinandersetzen. Für mich, Claudia, persönlich heißt das ganz konkret, mich und mein Leben anzunehmen, mit allen Höhen und Tiefen, im Vertrauen, dass Gott seine Liebe in mich gelegt hat. Aus dieser Liebe zu leben und sie weiter zu schenken, ist für mich eine Herausforderung – und mein Weg.“

E: Für mich, Esther, heißt das konkret, eine große Hoffnung zu haben, die ich selbst vorleben und anderen weitergeben will: Die Zuversicht, immer in Gottes Hand zu sein, die Hoffnung auf Unsterblichkeit.

C: „Mitten in deinem Leben steht der Lebensbaum. Wenn du von seinen Früchten isst, wirst du leben, selbst wenn du gestorben bist.“ Könnte dies nicht eine Aussage für uns alle sein?

E: Entdecken darf dies aber jede und jeder für sich selbst!

 

Claudia Graff-Ruhrort und Esther Bruder

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